Eine kurze Geschichte der Abtreibung

Triggerwarnung – Abtreibung/Schwangerschaftsabbruch.
Ganz aktuell steht das Thema Abtreibung wieder ganz hoch im Diskurs, nachdem der US-amerikanische Oberste Gerichtshof am Freitag, 24. Juni 2022 das landesweite Recht darauf abgeschafft hat. Doch wie sieht die Geschichte der Abtreibung hierzulande aus? Es folgen 5 historische Meilensteine über das Abtreibungsrecht in Österreich.

Antikes Ägypten. Ganz allgemein ist ein Schwangerschaftsabbruch seit jeher von sehr unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, wie beispielsweise von religiösen, ethisch/moralischen und politischen Überzeugungen. Dabei deuten schon Hinweise aus der Zeit der frühen Hochkulturen (ca. um 1600 v. Chr.) , darauf hin, dass nach Mitteln zur Abtreibung gesucht wurde und diese dann auch gezielt durchgeführt wurde. Dass Schwangerschaftsabbrüche aber auch noch früher in der Menschheitsgeschichte vorgenommen wurden, ist nicht auszuschließen. Verschiedene Kräutertränke, aber auch Gegenstände, die direkt in die Vagina und weiterführend in die Gebärmutter eingeführt wurden, sollten zum Abgang der des Embryos führen.

Österreich um 18./19. Jahrhundert. Machen wir einen großen Zeitsprung ins Österreich des 18. Jahrhunderts. Am Thron der Monarchie sitzt Kaiserin Maria Theresia. Sie ist streng katholisch und bestimmt durch ihren Glauben beeinflusst 1768, dass Abtreibung in den österreichischen Erbländern mit dem Tode durch das Schwert bestraft wird. 1852 wird das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs auch gesetzlich geregelt. In den Paragraphen 144 bis 148 des Strafgesetzbuches hieß es dann etwa: „§ 144 Eine Frauensperson, welche absichtlich was immer für eine Handlung unternimmt, wodurch die Abtreibung ihrer Leibesfrucht verursacht, oder ihre Entbindung auf solche Art, dass das Kind tot zur Welt kommt, bewirkt wird, macht sich eines Verbrechens schuldig.“ Zwar war die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs zu diesem Zeitpunkt nicht mehr unmittelbar mit der Todesstrafe zu verurteilen, sondern mit bis zu fünf Jahren „schwerem Kerker“.

Wusstest du, dass …

1919 der „Bund gegen Mutterschaftszwang“ in Wien gegründet wurde, um sich aktiv für das Recht der Frau auf Schwangerschaftsabbruch bis zum 3. Monat und Zugang zu Verhütungsmitteln zu engagieren? Von diesem Bund wurden außerdem Stellen eingerichtet, wo sich Frauen kostenlos und meist von anderen Frauen aufklären und beraten lassen konnten.

NS-Zeit um 1935. Während des nationalsozialistischen Regimes, galt das Abtreibungsverbot dann nur für Frauen des „deutschen Volkes“ – ihre Aufgabe war es, durch das Gebären von Kindern für die Stabilisierung der „Bevölkerungspolitik“ und der „Volksgesundheit“ Sorge zu tragen. Im Gegensatz dazu, wurde bei Jüdinnen oder anderem „unwerten Lebens“ systematisch die Tötung von Ungeborenen durchgeführt. 1936 wurde von der NS-Regierung eine eigen „Reichszentrale“ eingerichtet, deren Auftrag sich speziell gegen Abtreibung und auch Homosexualität richtete. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden zwar die Paragraphen 144 bis 148 wieder eingeführt, doch wurden Abbrüche von Kirche und Staat eher toleriert, da viele Frauen während der Kriegszeit Opfer von Vergewaltigungen wurden. Ab circa 1946 kehrte man wieder zum Gesetzesalltag zurück.

Wusstest du, das …

In den 1920er-Jahren sogenannte „Engelmacherinnen“ ungewollt Schwangere dabei unterstützten, die Schwangerschaft abzubrechen? Mithilfe von Stricknadeln, Holzsplittern oder gar Glasscherben, einem beabsichtigten Treppensturz oder Giftgemischen, versuchten sie den Wunsch ihrer Kundinnen zu erfüllen. Dass es dabei oftmals auch zu lebensgefährlichen Situationen für die Betroffenen kam, ist natürlich vorstellbar.

1946 bis 1975 – Vom Stillstand zur „Fristenregelung“. In den Nachkriegsjahren wurden dann erstmals Stimmen von Sozialdemokrat*innen laut, die die Abschaffung der Abtreibungsparagraphen forderten. Doch im Rahmen der damaligen dreier Koalition aus der Volkspartei, der Kapitalistischen Partei und der Sozialistischen Partei, wurden diese Aufrufe durch die konservativen Regierungsmitglieder verworfen.
1953 wurde im Nationalrat ein Beschluss verabschiedet, das Strafgesetzbuch (StGB) zu reformieren. Ein Jahr später schließlich, sollte durch eine eingerichtete Kommission eine Lösung herbeigeführt werden, die „alle“ zufriedenstellen sollte. Schließlich wurde das Verbot zwar nicht eindeutig abgeschafft, aus den Gesetzesentwürfen lässt sich jedoch entnehmen, dass ein Schwangerschaftsabbruch nun mehr als „Vergehen“ eingestuft wird, als ein „Verbot“.

Wusstest du, dass … es in Österreich keine offiziellen Statistiken von Abtreibungen gibt? Schätzungen zufolge werden in Österreich jährlich zwischen 20.000 und 35.000 Abbrüche durchgeführt. Wie hoch die Dunkelziffer ist, bleibt daher auch schwer zu sagen oder auch, ob es sich bei diesen Zahlen um legale Schwangerschaftsabbrüche handelt oder um „illegale“.

Ab 1975: „Mein Bauch gehört mir!“ 1975 ist es schließlich so weit und die sogenannte „Fristenregelung“ tritt in Kraft. Doch was bedeutete das eigentlich für die Frauen von damals? Ein Schwangerschaftsabbruch wurde unter dieser gesetzlichen Lösung in manchen und ganz bestimmten Fällen nicht mehr als Straftat betrachtet und auch so geahndet. Nun war eine Abtreibung etwa innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate erlaubt, solange frau sich zuerst einer ärztlichen Beratung unterzog und der Abbruch dann von einem*r Ärzt*in durchgeführt wurde. Auch unter dem Umstand, dass etwa die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren unmittelbar in Gefahr wäre, war eine Abtreibung nach den ersten drei Monaten legal. In den späten 1970er-Jahren schien es so, als würde der Schrei nach mehr Selbstbestimmung zur Realität werden. Doch wie ist das heute?

Wusstest du, dass …

Es auch heute noch Engelmacherinnen gibt und sich viele Frauen in ihrer Verzweiflung an sie wenden? Ein schockierender Fall aus dem Jahr 2013, als eine junge Frau in Wien von einer vermeintlichen „Ärztin“ während eines Schwangerschaftsabbruchs so schwer verletzt wurde, dass sie dabei fast verstarb – das könnte auch gerade jetzt noch passieren.

HEUTE. Ist es noch immer 1975. Die Fristenlösung ist nach wie vor und beinahe unverändert immer noch Stand der Dinge. Seit mehr als 47 Jahren bestimmt die gleiche Gesetzgebung über unser Frauenrecht wann und wie ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden darf. Noch immer muss frau sich im Falle eines Abtreibungswunsches – ganz gleich in welcher Situation sich die Frau befindet – ist sie zuerst verpflichtet, sich ärztlich beraten zu lassen. Dass diese „Beratungen“ von Ärzt*in zu Ärzt*in unterschiedlich ausfallen und oftmals einen sehr bitteren und subjektiven Beigeschmack haben, ist nicht nur Spekulation, sondern Tatsache. Auch, dass der Abbruch nur innerhalb der ersten drei Monate und wenn überhaupt später, dann nur unter äußerst prekären Situationen. Es muss entweder eine unmittelbare Gefahr für die Schwangere bestehen, wenn die Frau noch vor Vollendung des 14. Lebensjahres schwanger wurde oder, wenn eine schwere Behinderung des Ungeborenen zu erwarten ist.

Wusstest du, dass …

Je ebener der Weg zur Abtreibung ist, desto weniger „illegale“ Abtreibungen es gibt und desto sicherer es für betroffene Frauen wird? Das bedeutet auch, dass der Schwangerschaftsabbruch (in Österreich) noch weiter enttabuisiert werden muss, um unnötige Hindernisse aus dem Weg zu schaffen.

Dass das bewusste Töten eines ungeborenen Kindes in der Gesellschaft große Wellen schlägt und die Kontroversen heiß diskutiert werden, ist wohl kaum verwunderlich. Doch die Fragen bleiben offen: Gehört mein Bauch wirklich mir? Sind in diesem heiklen Punkt beinahe 50 Jahre alte Gesetze auch gegenwärtig noch up to date? Und wie soll hier überhaupt entschieden werden, was ist hier moralisch vertretbar und was ist fair?

2 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Abtreibungen. Gut zu wissen, dass diese bereits im alten Ägypten ein Thema waren. Ich plane aktuell eine chirurgische Abtreibung und wollte mich auch mal über die Historie informieren.

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