Unter der Kategorie „Die Mutmacherinnen“, möchte ich Frauen aus unserer Community eine Möglichkeit bieten, um mit ihren Herausforderungen und Erfahrungen, anderen Mut zu machen. Egal, ob es sich um eine überwundene Krankheit handelt, um einen Schicksalsschlag oder ein anderes einschneidendes Erlebnis, alle Geschichten verdienen es erzählt zu werden.
*Triggerwarnung: Chronische Erkrankung
Mein Name ist Marlies, ich bin 34 Jahre jung und begeisterte Sportlerin. Die Liebe für die Berge wurde mir quasi in die Wiege gelegt, da ich bereits als Kind im Skirennsport tätig war und danach fast 15 Jahre als Skilehrerin immer wieder in einer Skischule unterrichtet habe. Ob Sommer oder Winter, am Wochenende war ich entweder mit den Skitourenski unterwegs oder mit den Wanderschuhen auf einem Gipfel anzutreffen. Auch das Reiten liebe ich sehr, ich habe 2 eigene Pferde und auch einen Hund.
Und dann kam Covid…
Leider hat Covid auch vor mir keinen Halt gemacht und ich bin im November 2021 an der Delta-Variante erkrankt. In den ersten Tagen fühlte ich mich fiebrig und schwach, bis in der zweiten Woche eine Lungenentzündung dazu kam und ich kaum mehr das Bett verlassen konnte. In Summe lag ich 3 Wochen flach, kämpfte mit schwerem Husten, Luftnot und starken Gliederschmerzen. Gefühlt ging einiges in meinem Körper kaputt und ich merkte sofort, dass bei mir genesen nicht automatisch wieder gesund sein bedeuten würde.
Nachdem der Husten in den Wochen nach der akuten Phase eher schlimmer wurde, habe ich im Jänner 2022 einen Lungenfacharzt aufgesucht, der mir eine starke Einbuße der Lungenleistung diagnostizierte und außerdem eine sogenannte kombinierte Ventilationsstörung. Ich hatte zuvor nie mit Lungenproblemen zu tun. Das Ganze war für mich absolutes Neuland.
Jeder Atemzug ein Kampf
Zu dem damaligen Zeitpunkt, konnte ich meine beiden Pferde schon nicht mehr reiten und schaffte es gerade mal mit ihnen im Schritt ein paar Runden am Tag zu drehen. Ich war so unglaublich verzweifelt, da mir niemand sagen konnte, ob ich jemals wieder meine ursprüngliche Fitness oder überhaupt fitter werden würde. Mehrmals am Tag wurde ich von starken, kräfteraubenden Hustenanfällen geplagt, sodass ich danach nur mehr liegen konnte, weil ich so erschöpft war und nur schwer Luft bekam. Mein Lebensmut wurde immer weniger, ich weinte täglich und wollte wirklich des Öfteren aufgeben. Meine Mutter und auch meine Dressurtrainerin, haben mich damals unglaublich unterstützt und mich immer wieder aufgerichtet, wenn ich wieder ganz schlimme Tage durchlebte.
Schlussendlich empfahlen mir mein Hausarzt, sowie mein Lungenfacharzt einen Reha-Antrag zu stellen, mit der Begründung Long-Covid.
Nach etwa einem Monat wurde dieser schließlich bewilligt. Mir wurde ein Platz in einer Rehaklinik in Tirol zugeteilt. Zum damaligen Zeitpunkt war mit einer Wartezeit von bis zu 6 Monaten zu rechnen. Da wusste ich, dass ich selbst aktiv werden muss und mein Kampfgeist kehrte langsam wieder zurück. Ich musste einfach früher zur Rehabilitation, denn ich wollte endlich Fortschritte machen!
Schritt für Schritt ins Leben zurück
In der Zwischenzeit begann ich im Internet auf eigene Faust zu recherchieren und verschlang so ziemlich jeden Artikel über Long-Covid. Auf dem Blog einer Physiotherapeutin, stieß ich auf einen Bericht über das Inhalieren mit einem Vernebler und den positiven Erfahrungsberichten darüber. Nach 2 Wochen Inhalation mit einer Salzlösung, verspürte ich endlich eine Verbesserung. Dadurch erlangte ich zumindest im normalen Alltag eine gewisse Linderung, was den Husten betraf. Leider war die Kurzatmigkeit bei den leichtesten Anstrengungen nach wie vor sehr präsent, weshalb ich lange nur in der Ebene spazieren gehen konnte. Ich war also noch weit weg von dem, was ich vorher geschafft habe. Jedoch merkte ich in den darauffolgenden Monaten durch das tägliche Inhalieren eine stetige Verbesserung und konnte wöchentlich meine Leistung steigern.
Im Mai dieses Jahr, konnte ich das erste Mal wieder 20 Minuten Dressurtraining reiten und auch längere Ausritte waren wieder möglich. Als ich Mitte Juni meine Rehabilitation in Tirol antrat, war ich richtig euphorisch und wünschte mir bei der Aufnahme ein tägliches Sportprogramm. Schnell merkte ich, dass meine körperliche Fitness noch sehr eingeschränkt war und selbst das tägliche 20-minütige Ausdauertraining teilweise zu einer wahren Tortur wurde. Dies ließ sich mit meinem Ehrgeiz nur schwer vereinbaren und ich übertrat teilweise weit meine eigenen Grenzen. Das tückische am Post-Covid-Syndrom ist, dass man die Überanstrengung oft erst Stunden später bemerkt und dann unter einem sogenannten „Crash“ leidet. Das bedeutet, dass Betroffene oft erst Tage nach der Beanspruchung weit weniger Energie und Leistungsfähigkeit zur Verfügung haben, als sie ohnehin schon haben. Deswegen ist es auch so wichtig, dass man nicht in die Überanstrengung geht und rechtzeitig aufhört, sich Pausen nimmt. Nur mit dem „Pacing“ lassen sich in der Therapie gute Erfolge erzielen. Als ich das begriffen hatte und daraufhin ein paar Tage auf dem gleichen Level und ohne Steigerung trainierte, spürte ich endlich eine starke Verbesserung.
Beim Aufnahmegespräch wurde ich gefragt, was mein größtes Ziel für die Reha ist. Meine Antwort war natürlich, dass ich wieder auf einem Gipfel stehen und meine alte Sportlichkeit wieder erlangen möchte.
Mut tut gut!
Am Ende der zweiten Woche, fasste ich all meinen Mut zusammen und ich brach am späten Nachmittag alleine zu einer Bergtour auf. Ein Reha-Kollege hatte mir davor einen wunderschönen Gipfel mit 500 Höhenmetern empfohlen, welchen ich unbedingt schaffen wollte. Ich hatte Musik in meinen Ohren und versuchte durch einen langsamen und beständigen Aufstieg, meinen Puls in meinem individuellen Idealbereich zu halten. Für mich war die größte Challenge, nicht die Angst siegen zu lassen und meinem Körper auch wieder zu vertrauen. Ich musst lernen, die Anzeichen richtig zu deuten und bei erhöhter Atemfrequenz nicht sofort in Panik zu verfallen. Ich war noch nie so sehr im Kampf mit mir selbst, aber zeitgleich auch im Genuss, wie auf dieser Tour.
Als ich dann am Gipfel ankam, konnte ich es kaum glauben und ich weinte und jubelte vor Freude. Dieser Augenblick gab mir so große Hoffnung, nämlich, dass ich irgendwann auch wieder 2000 Höhenmeter schaffen würde!
Die restliche Zeit in Tirol habe ich hauptsächlich in den Bergen und an den Seen verbracht und die Landschaft genossen. Ich kann allen in einer ähnlichen Situation einen Reha-Aufenthalt wirklich nur wärmstens empfehlen, da man hier seine Grenzen sehr gut kennenlernt. Zwar wäre es utopisch, dass nach 3 Wochen wieder alles so ist wie vorher oder man die Reha fit wie ein Turnschuh verlässt, aber das regelmäßige Atemtraining und die Bewegung bewirken trotzdem sehr viel. Eine Woche nach meiner Rückkehr in die Heimat, konnte ich mit meinem Pferd unser erstes gemeinsames Turnierwochenende bestreiten. Was führ ein Gefühl!
Natürlich ist mir klar, dass es noch ein weiter Weg bis zu meiner vorherigen Fitness sein wird. Trotz der vielen Kämpfe und der enormen Herausforderung, vor die mich meine Covid-Erkrankung gestellt haben, war es doch eine Chance für mich. Ich lernte mich noch ein Stück besser zu akzeptieren und kennenzulernen. Als leistungsorientierter Mensch zog es mir den Boden unter den Füßen weg, als ich plötzlich nicht mehr funktionierte. Einen Weg aus dieser Krise zu finden und daraus Mut und Kraft zum Weitermachen zu schöpfen, war im Nachhinein betrachtet vielleicht genau die Reise zu mir selbst, die ich brauchte.
Ihr findet Marlies auf Instagram unter @lieschen_outdoor.
Folgt ihr doch, setzt euch direkt mit ihr in Verbindung oder tauscht euch über ihre Erfahrung aus. Aber vor allem, lasst ganz viel Liebe & Bewunderung da für diese starke Kämpferin und Mutmacherin! ♥️